Drei Beiträge
Schweinfurter Tagblatt – 28. Juni 1994
Musical-Uraufführung „Der vierte Wunsch“ in Üchtelhausen
Turbulente Rückkehr ins Gewohnte
Üchtelhausen – Alle Plätze waren besetzt und sogar im Bühnenschatten hatten nicht wenige Zuschauer Stehplätze eingenommen, um die Uraufführung des Musicals „Der vierte Wunsch“ von Albin Freibott im katholischen Pfarrheim in Üchtelhausen (Lkr. Schweinfurt) im Rahmen der 800-Jahrfeier mitzuerleben.
Das Libretto des Musicals greift auf Inhalte des Märchens „Vom Fischer und seiner Frau“ zurück. Albin Freibott hat als Komponist, Arrangeur, Regisseur und mitreißender Dirigent daraus ein funkelndes Opus gemacht, das an diesem Abend problemlos zum Publikum fand.
Die Mischung stimmt: nach dem melodramatischen Auftakt mit den Hauptdarstellern Eberhard Fasel (Fischer Damian) und Tanja Freibott (Annabelle) kündigt sich eine schwungvolle dramatische Kurve an. Die Akteure der Musikschule Schweinfurt, insgesamt 70 mit Musikern, Darstellern und Chören, setzten alles daran, eine perfekte Musical-Show über die Bühne gehen zu lassen.
Einfallsreiche Musik, kesse Songs und quicke Szenen begeistern das Publikum, wenn die vier top-gestylten Nachbarinnen mit anrüchigem Charme und noch mehr verletzender Häme verkünden „Ein Spiegel ist unerläßlich“ und das hohe Lied weiblicher Verführungskünste anstimmen.
Den Gegenpol dazu bildet der bei Annabells Wünschen stets willfährige Chor der Fische, bei dem Benjamin Freibott als Anführer „Fleety“ Begeisterungsstürme auslöst, mit perfekten Bewegungen, souveräner Gestik und Mimik und brillanter Stimme, die besonders beim „Sägefisch-Song“ aufhorchen läßt. Nicht zu vergessen die vibrierende Atmosphäre bei den Zaubersprüchen der Fische mit dem buntaufleuchtenden Monster, das die diversen Wünsche Annabells realisiert.
Obwohl er die Rolle des großen Zögerers bis zum realistischen Ende einzunehmen hat, verfügt Eberhard Fasel über markante Stimmqualitäten, die der Aufführung wohltuende Erdennähe verleihen.
Tanja Freibott hingegen probt unbeirrbar den Aufstand gegen stets zu eng geratene Verhältnisse. Sie identifiziert sich völlig mit der Rolle der machtlüsternen Annabelle, verjagt die Nachbarinnen mit Schimpf und Schande, wirbelt exzessiv mit Geldscheinen und giert, sich auf dem Boden wälzend, unersättlich nach Macht in den Songs „Raptus“ und „Dithyrambe“.
Die schauspielerische und stimmliche Glanzleistung entwickelt sich bei der Darstellerin kontinuierlich von der in Lumpen gehüllten blinden, bis zur größenwahnsinnigen Annabelle.
„Der vierte Wunsch“ ursprünglich als Kinderstück gedacht, ist Albin Freibott zu einem Glanzstück geraten, weil auch das erwachsene Publikum dabei nicht leer ausgeht. Die Musical-Interpretation des altbekannten Märchenstoffs läßt nämlich neue Perspektiven offen, die die Machtbesessenheit der Annabelle insofern mildern, weil sie konsequent ist und sich, ohne ein Klagelied anzustimmen, nach den Höheflügen der Macht, wieder in die gewohnt triste Umgebung einfügt. Das kommt nachhaltig in der Schlußszene mit dem Duett „Tief wie das Meer“ zum Ausdruck.
Die fast zweieinhalbstündige Uraufführung erleben die Zuschauer als hochkarätige Ensembleleistung der Musikschule Schweinfurt, bei der die Begeisterung ebenso mitspielt, wie die Bereitschaft zu improvisieren.
Das Publikum feierte die Uraufführung mit enthusiastischem Beifall und vielen Bravos. Claus P. Gras
Rödentaler Tageblatt – 20. Februar 1995
Die Vorschußlorbeeren verdient
Musical „Der vierte Wunsch“ erntete im Arnold-Gymnasium stürmischen Beifall
Neustadt (sr). Wer kennt nicht das Grimmsche Märschen „Vom Fischer und seiner Frau“? Spätestens seitdem weiß jeder, wohin ungezügeltes Verlangen nach mehr führen kann. Das Musical „Der vierte Wunsch“ von Albin Freibott ist eine Adaption dieser Geschichte. Am Freitagabend wurde es am Arnold-Gymnasium Neustadt aufgeführt.
Wie Lehrer Hans-Michael Friedrich in einführenden Worten betonte, sei dies am Aufwand gemessen das größte Stück, dessen Umsetzung man jemals in der Pausenhalle gewagt habe. „Damit ist auch das Maximum des Möglichen erreicht.“
Das Ensemble rekrutierte sich aus Mitgliedern der Musikschule Schweinfurt, die der Komponist und Pädagoge Albin Freibott unter seine Fittiche genommen hat. Trotz jugendlichen Aussehens seien die Akteure, so Friedrich, „alles alte Hasen“. Eine Reihe namhafter Preise zeugt von deren Klasse. Die Vorschußlorbeeren verdiente sich das Personal denn auch redlich.
Freibott hatte sowohl Handlung als auch Stil der Urfassung für die Bühnenversion etwas abgeändert, ohne die Intention des Vorbildes aus den Augen zu verlieren. Eine persönliche und eigenwillige Note, die dem Schauspiel den gewissen Pep verlieh.
Wie empfindet ein Mensch, dem das wichtigste Rezeptorgan fehlt, das den Primaten zur Verfügung steht, um Informationen über ihre Welt zu sammeln? Annabelle ist blind. Mit Text, Mimik und Gestik vermittelt sie eindringlich, was dieses Handicap bedeutet.
Damian heißt ihr Mann, der sie liebevoll umsorgt. Seine Schilderungen projezieren in ihrer Phantasie Bilder nie wahrgenommener Realität. Doch diese Realität ist eine vorgegaukelte. So gutmütig Damian seine Liebste behandelt, so wenig bringt er Kraft auf, ihr die Wahrheit zu sagen. Eine bittere Wahrheit. Damian, selbst gehbehindert, verdient sein täglich Brot nur als einfacher Fischer. Aber er erträgt genügsam sein karges Los, indem er Annabelle Luftschlösser aus Lügen baut.
Sie glaubt sich auf einem „Thron“ sitzend, in prächtigen Gewändern gekleidet und in einer komfortablen Behausung wohnend. Doch irgendwann zerplatzt diese Illusion wie eine Seifenblase.
Denn eines schönen Tages zuckelt eine Armada von Fischen zu Annabelle ans Ufer. Diese lustige Truppe zählte zu den humoristischen Höhepunkten des Musicals. Vor allem der „Vize-Korporal“, der sich damit brüstet, alle Weltmeere durchkreuzt zu haben, riß zu Lachsalven hin. Freibott und seinen Schützlingen glückte es, den Drahtseilakt zwischen ernsten und heiteren Elementen bis zum Finale auszubalancieren.
Die Flossentiere sind aber keine gewöhnlichen Kiemenatmer. Sie karren einen Apparat durch die Fluten, der jeden Wunsch erfüllt. Eigentlich haben sie sich ja nur verirrt und wollen bei Annabelle nach dem Weg fragen. Da findet der „Vize-Korporal“ heraus, daß er sich mit einer Blinden unterhält. Kurzum beschließt man, ihren sehnlichsten Traum zu erfüllen. Prompt schenkt ihr die „Wunsch-Power“ das Augenlicht und ihr Gatte muß auch nicht mehr humpeln.
Doch mit diesem Glück nimmt das Unglück seinen Lauf. Als Annabelle erkennt, in welch ärmlichen Verhältnissen sie dahinvegetiert, beginnt in ihr ein gefährliches Feuer zu brennen. Sie überredet die Fische deren Magie zu nutzen, um ihr Reichtum zu bescheren.
Bald heißt es Bescheidenheit, Farewell! Von der Gier nach schnöden Mammon getrieben, mutiert Annabelle zur Besessenen. Mit allerlei Verschlagenheit animiert sie die Fische, ihr Portemonnaie aufzufüllen. Doch mit steigendem Kontostand sinkt die charakterliche Integrität. Annabelles Hybris gipfelt schließlich in einem brilliant dargebotenen, ekstatischen Anfall.
Die Story bahnt sich den Weg, der ihr vorherbestimmt war. Die Kapazität der metallernen Fee ist erschöpft. Die Maschine verabschiedet sich mit knallenden Effekten.
Jetzt setzt die Katharsis ein. Damian hinkt wieder und Annabelle kehrt zurück in die visuelle Dunkelheit. Der Zauber schwindet, statt Champagner Leitungswasser.
Da entdecken die beiden, daß die wirklich wichtigen Dinge nicht vom materiellen Wohl abhängig sind – ihre Liebe zueinander. Ein Happy-End nach Hollywood-Manier, ein Stück, das den stürmischen Beifall zu Recht erntete.
Schweinfurter Tagblatt – 12. Mai 1995
Standing Ovations für das Musical „Der vierte Wunsch“
Die machtlüsterne Annabelle
Schweinfurt. Auch in der endgültigen Fassung hat das Musical „Der vierte Wunsch“ nichts von seiner tiefen Aussagekraft eingebüßt. Nach der Uraufführung im vergangenen Jahr in Üchtelhausen im Landkreis Schweinfurt hatten die Akteure der Musikschule Schweinfurt nach mehreren Aufführungen an anderen Orten in dieser Woche das Theater der Stadt als Aufführungsort zur Verfügung.
Allein schon diese Tatsache war geeignet, ein professionelles Spiel über die Bühne zu bringen, mit frechen Songs, melodramatischen Duetten und barocken Anklängen.
Die Mitwirkenden – das Musikschulorchester mit 40 Instrumentalisten, der Kinderchor und zwölf Solisten unter der Stabführung von Albin Freibott, gleichzeitig als Komponist, Arrangeur und Dirigent am Musical beteiligt – zeigten große Spielfreude. Mitreißend gestalteten sie Szenen der Musical-Geschichte, der das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ als Libretto zugrundeliegt.
Die dramatische Linie konsequent einzuhalten und nach oben zu führen, oblag Tanja Freibott. Sie zog alle Register, um die zunächst dahindämmernde, blinde, dann gierig das Leben entdeckende Fischersfrau Annabelle überzeugend darzustellen. Einem Vulkan ähnlich, beendete sie mit Schimpf und Schande die ärmliche Vergangenheit, um wahnsinnserfüllte Machtlüsternheit (Songs „Raptus“, „Dithyrambe“) exzessiv zu demonstrieren.
In dieser Position waren die übrigen Mitspieler in hohem Maße herausgefordert, Akzente zu setzen. Dabei gerieten die zunächst kessen Nachbarinnen Ursula Friedrich, Evi Kraft und Heike Drescher („Ein Spiegel ist unerläßlich“) rasch in die Rolle unterwürfiger Kammerzofen („Sie jagt uns einfach weg“).
Benjamin Freibott hatte in dieser Konstellation ebenfalls ein gewaltiges Pensum zu absolvieren, um als wünscheübermittelnder, singender und quicklebendiger Sägefisch Fleety („Sägefisch-Song“) nicht plötzlich als trister Befehlsempfänger für Annabelle zu agieren.
Für Kontinuität im Bühnengeschehen bis zum illusionslosen Ende sorgte Eberhard Fasel als Fischer Damian („Du bist so gut zu mir“ und „Tief wie das Meer“).
Das vielzählige Publikum erlebte die zweistündige Musical-Aufführung als anspruchsvolle, überzeugende Gemeinschaftsleistung, die mit „standing ovations“ gefeiert wurde. Als Zugabe war der gemeinsame Schlußsong von Annabelle und Damian zu hören. cpg